Komplott am Schwanensee

  • © Arnold, Pöschl

„Sie hatten behauptet, es sei ein leichter Job. Ich müsse nur darauf achten, dass die Schwäne nicht gefüttert wurden. Leichte Jobs sind ganz nach meinem Geschmack, Schwäne nicht ganz. Sie waren mir immer ein Rätsel, wahrscheinlich, weil mich die Form ihres Halses an ein Fragezeichen erinnerte.

An meinem ersten Arbeitstag stand ich jedenfalls in der kalkweißen Uniform der Schwan-Beauftragten in der Veldener Bucht und sah raus aufs Wasser, das glatt und unbewegt vor mir lag wie ein Spiegel. Schwan war keiner zu sehen.

Mein Handy vibrierte, bestimmt ein Kontrollanruf der Basis. Sie hatten mich vorgewarnt. 

 „Es ist so weit.“ Eine Männerstimme im Ton eines Untergangspropheten.

 „Hallo?“ 

 „Die Schwäne.“

 „Was? Mit wem spreche ich?“

 „Sie sind Frau Mimi May, wohnhaft Narzissenweg drei?“

 „Wer sind Sie? Hallo?“

 „In fünf Minuten im Gasthaus Zum kranken Hirsch. Seien Sie pünktlich.“

Der neue Job begann so, wie sich mein Leben in letzter Zeit darstellte: als Desaster. Weil ich meinen Arbeitgeber hinter dem Anruf vermutete und den Job dringend brauchte, begab ich mich zum kranken Hirsch und identifizierte den Anrufer auf Anhieb: schwarzer Hoodie, Vollbart, Schirmkappe, dunkle Sonnenbrillen, klassischer Netflix-Verdächtige. 

 „Eine Katastrophe“, sagte der Mann statt einer Begrüßung, „der Worst Case ist eingetreten. Es geht um Leben und Tod.“

 „Da bin ich raus, sorry.“ Ich wollte gleich wieder umdrehen, er aber drückte mich in den Sessel.
„Ich brauche Sie. Der See braucht Sie.“ 

 „Was wollen Sie von mir?“ Ich spürte Panik aufsteigen. 

 „Die Schwäne“, sagte er. „Sie sind entführt worden. Alle. Das ist das Zeichen.“

Ich sah mich um. Es konnte sich nur um versteckte Kamera handeln. Oder man unterzog mich einem Test. Ich beschloss, mitzuspielen. Forderte ihn auf, die Karten auf den Tisch zu legen. Da griff er unter den Hoody – ich fürchtete schon, dass er eine Waffe ziehen würde – und beförderte eine Packung Gitanes ans Licht. Quälend langsam steckte er sich eine Zigarette in den Mundwinkel und rauchte eine Weile stumm, während sein Blick den Himmel abtastete. „Sie kennen Hallstatt?“, fragte er schließlich.

 „Natürlich.“

 „Sie wissen auch, dass es eine Replik von Hallstatt in China gibt? Eine Kopie bis ins kleinste Detail? Nun, ein asiatischer Unternehmer hat mittlerweile unter Ausschluss der Öffentlichkeit auch den Wörthersee nachbauen lassen. Mit dem ganzen Drumherum, das man hier sehen kann. Mit Pyramidenkogel, Schlosshotel, Casino, Maria Wörth. Sogar eine Roy Black-Büste haben sie gebastelt. Kann man kaum glauben, was? Und Sie, Frau May“, er beugte sich vor, „sind der Schlüssel. Denn nun hat der Welt-Tourismusrat beschlossen, dass es nur einen Wörthersee geben soll. Und zwar den in China. Dieser hier“ – er deutete auf den See – „wird abgelassen. Die Berge und Häuser werden in ihre Einzelteile zerlegt und entsorgt oder mit einer Plane überzogen, das steht noch nicht fest.“

 „Abgelassen? Wie eine Badewanne? Sie machen Witze.“

Er nahm einen tiefen Zug und schloss die Augen. „Heute früh wurden alle Schwäne entführt, die sitzen schon in der Transportmaschine nach China, glauben Sie mir. Ich habe ein Beweisfoto.“ Er hielt mir das Display seines Handys entgegen.

 „Das ist ein Container, okay“, sagte ich. „Und wo sind die Schwäne?“

 „Na, drinnen.“

 „Und warum weiß keiner, was gespielt wird?“, gab ich zu bedenken. „Also keiner außer Ihnen?“

 „Eine Verschwörung“, faucht er. „Natürlich wissen sie es, aber sie halten den Mund! Die Medien sind gekauft, die Politiker mundtot gemacht. Können Sie sich das vorstellen? Eine Plane über der ganzen Landschaft? Ein Krater statt einem See? Aus Google Maps einfach ausradiert?“

Er wischte auf seinem Handy herum. „Hier“, sagte er und zeigte auf ein Foto mit einer Handvoll Menschen. „Das ist unsere Untergrund-Bewegung. Wir werden kämpfen. Wir werden siegen.“ Er entließ mich mit den Worten: „Heute Nachmittag kriegen Sie Ihr Flugticket. Halten Sie sich bereit.“

Mir war ganz schwummrig, als ich zurückging an meine Ausgangsposition. War da vielleicht wirklich was dran? Gab’s tatsächlich einen zweiten Wörthersee? Ich setzte mich nachdenklich auf eine Bank und richtete den Blick auf das Wasser, als von rechts ein majestätischer Schwan geschwommen kam. Er bewegte sich lautlos und elegant, wie auf Schienen. Den Hals hielt er erstaunlich gerade, beinahe wie ein Rufzeichen. Und was soll ich sagen: Ich hatte mich noch nie so gefreut, einen Schwan zu sehen. Hätte ich Brot dabeigehabt, ich hätte ihn glatt gefüttert.

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