Hubsi und das entlaufene Küken
„Hier Marie, das ist der Korb mit den Tüchern zum Einschlagen der gepflückten Blumen und Gräser!“, sagt Mama Osterhase zu dem einen ihrer Zwillingsmädchen. „Und du Karo, du bist für euer Picknick verantwortlich!“, sagt sie und gibt ihrer anderen Tochter den zweiten Korb. „Ich hab´ euch ein paar Butterbrote mit frischen Karottenscheiben und Kresse geschmiert. Dazu noch euren Lieblingssaft aus frisch gepressten Karotten mit einem Schuss Holundersaft. Und als Nachspeise gibt’s für jeden ein Stück frischen Karotten-Schokokuchen.“ „Hmmm!“, gibt Hubsi von sich, der kleine Hasenjunge, der sich nun genüsslich sein Bäuchlein reibt. „Das ist ja wieder einmal typisch. Wir beide müssen das ganze Zeug schleppen, während unser Babybruder nur nebenherlaufen muss“, mault Karo. „Ich zieh dich gleich an den Ohren, du kleine Meckertante“, neckt Mama Osterhase ihre Tochter. „Für Hubsi habe ich diesen Rucksack vorbereitet. Darin ist eine große Picknickdecke für euch“, sagt sie zu ihren beiden Töchtern, während sie ihrem Sohn den Rucksack auf den Rücken packt. Der kleine Hasenjunge ist froh, dass auch er mithelfen kann. Er mag es nämlich gar nicht, dass seine Zwillingsschwestern ihn oft noch wie ein Hasenbaby behandeln. „So, und nun macht euch auf den Weg. Passt auf, fallt nicht ins Wasser und kommt nicht zu spät heim!“, ermahnt Mama Osterhase ihre drei Hasenkinder.
„Keine Sorge, Mama! Wir passen schon auf. Auf die Körbe, auf das Essen und besonders auf den hier!“, ruft Marie und streicht ihrem Bruder über den Kopf. „Hey, lass das. Ich kann sehr gut auf mich selber aufpassen!“, ruft Hubsi empört. „Und streitet nicht!“, sagt Mama, ehe sie wieder im Haus verschwindet. Die drei Hasenkinder machen sich auf den Weg. Dieser führt an einem kleinen Bach entlang durch den Wald, zu einer großen Lichtung. Die Zwillingsmädchen balancieren auf den Baumstämmen und Steinen, die im Wasser liegen, herum. Hubsi hingegen hält sich vom Wasser lieber fern. Dafür begrüßt er jeden Schmetterling, jede Raupe und jede Biene persönlich. Natürlich achtet er auch sehr genau darauf, wo er hintritt. Er möchte keinem Tier und keiner Blume wehtun. „Oh, entschuldige, liebes Veilchen, fast hätte ich dich übersehen! Hallo, du wunderschöner Schmetterling! Ist das nicht ein herrlicher Tag heute? Pass gut auf dich auf und grüß mir deine Familie!“, spricht Hubsi zu den Tieren und Pflanzen, welche er so liebt. Die Zwillings-Hasenmädchen lachen: „Hubsi, du bist wirklich verrückt. Bestimmt lachen schon alle Tiere im Wald über dich.“ „Ach, ihr seid so gemein. Die Tiere mögen mich und das wisst ihr auch. Aber passt ihr lieber auf, damit unser Picknick nicht ins Wasser fällt!“, ruft Hubsi verärgert. „Typisch, unser kleines Schleckermäulchen denkt wieder nur ans Essen!“, ruft Marie. „Wenn ich hineinfalle, musst du mich herausholen!“, lacht Karo. Hubsi schaut sie mit seinen großen, dunklen Hasenaugen erschrocken an und ruft: „Sag sowas nicht! Du weißt ganz genau, dass ich nicht schwimmen kann!“ „Alles gut!“, beruhigt ihn Marie. „Wir passen schon auf uns auf.“
Endlich haben die drei Hasenkinder die Lichtung erreicht. Dort ist auch ein kleiner Tümpel. Marie, Karo und Hubsi stellen ihre Körbe und den Rucksack ab und machen sich auf die Suche nach den Kräutern und Blumen. Mama Osterhase hat ihnen aufgetragen, Huflattiche, Schlüsselblumen, Schneeglöckchen, Erdbeerblätter, Kleeblätter und Farne zu pflücken. Damit lassen sich wunderschöne Ostereier zaubern. Die drei Hasenkinder sind eine ganze Weile beschäftigt. Sorgsam legen sie die Blumen auf das eine Tuch und die Gräser auf das andere Tuch. Dann wickelt Marie beide Sträuße vorsichtig ein und legt sie in den Korb. Zufrieden betrachten sie ihr Werk. Jetzt Stärkung verdient. nickdecke aus genüsslich haben sie sich aber eine Hubsi holt die Pickseinem Rucksack und essen die drei Hasenkinder Mamas vorbereitete Köstlichkeiten. „Jetzt wäre ein Nickerchen fein!“, ruft Hubsi und hält sich sein volles Hasenbäuchlein, während er sich auf die Decke fallen lässt. „Also ich schlage lieber ein paar Räder“, ruft Karo, während Marie die leeren Sachen wieder in den Korb räumt.
Plötzlich hört Hubsi ein leises Piepsen. „Habt ihr das Piepsen auch gehört?“, fragt er seine Schwestern. „Das ist bestimmt ein Vogel, vielleicht sogar dein Vogel“, lacht Karo. „Psst! Sei doch einmal leise!“, ruft Hubsi. Und tatsächlich! Jetzt hören es auch seine Schwestern. „Ich glaube, das kommt vom Wasser“, sagt Hubsi. „Da!“, ruft Marie, „Ich glaube, da in dem hohlen Baumstamm am Wasser, da bewegt sich etwas“. Tatsächlich, da bewegt sich etwas gelbes Rundes. Plötzlich ruft Hubsi aufgeregt: „Das ist ein Küken, ganz bestimmt ist es ein Küken! Wir müssen es unbedingt retten! Aber wie?“ Hubsi hat große Angst vor Wasser. „Ich habe eine Idee!“, sagt Marie. „Wir legen diesen Ast hier ins Wasser. Der reicht bis zur Mitte des Tümpels. Ich balanciere und schubse den Baum-stamm in eure Richtung. Du Karo, du bleibst bei Hubsi und fängst den Baumstamm auf. Verstanden?“ „Aber sei vorsichtig, damit das Küken nicht ins Wasser fällt!“, ruft Hubsi und springt aufgeregt hin und her. „Schön, dass du dich um das Küken sorgst, nicht aber um deine Schwester!“, sagt Karo. „Hört auf zu streiten. Und du Karo, hilf mir lieber, den Ast ins Wasser zu ziehen!“, ruft Marie. Endlich haben die beiden Hasenmädchen die Rettungsbrücke gelegt. Vorsichtig balanciert Marie zur Mitte des kleinen Tümpels. Sie schubst den Baumstamm Richtung Ufer. Dabei passiert es. Der Ast bricht und Marie landet im Wasser. Zum Glück ist der Tümpel nicht tief. Aber es reicht, um pitschnass zu sein. Während sie ans Ufer watet, hat Hubsi das kleine, verängstige Küken bereits aus dem Baumstamm herausgeholt. „Alles gut, alles gut! Jetzt bist du ja in Sicherheit! Wir bringen dich ganz schnell heim zu deiner Mama!“, beruhigt Hubsi den kleinen Ausreißer. „Schaut, dass ist bestimmt eines von Mathildas Familie, es hat ein paar dunkle Streifen am Rücken!“, erklärt er seinen Zwillingsschwestern.
Karo hat inzwischen den leeren Picknickkorb geholt. Aber das Küken weigert sich und hüpft immer wieder heraus. „Ich glaube, zwischen all den leeren Dosen ist es ihm zu unbequem!“, stellt Karo fest. „Und wenn wir ihn in den Korb mit den Blumen und Gräsern setzen?“, schlägt Hubsi vor. „Dann ist Mama böse mit uns!“, sagt Marie, die inzwischen ihr nasses Kleid ausgezogen und sich in die Picknickdecke eingewickelt hat. „Mama ist ohnehin böse, wenn sie dein nasses Kleid sieht, also kommt es darauf auch nicht mehr an!“, meint Karo. Also setzt der kleine Hasenjunge das kleine Küken vorsichtig zwischen die beiden Sträuße. „Aber sei schön artig, wir brauchen die Blumen und Gräser zum Eierfärben!“, ermahnt er das Küken. Diese piepst leise und schmiegt sich an Hubsis Hand. In diesem Korb, da gefällt es ihm viel besser. Hier ist es kuschelig weich und es duftet so herrlich. Schnell laufen die drei Hasenkinder nach Hause.
„Wo bleibt ihr so lange?“, ruft Mama Osterhase, „Ich habe mir schon Sorgen gemacht! Und wie seht ihr aus? Marie, warum bist du in eine Decke gewickelt?“ „Nicht aufregen Mama!“, sagen die beiden Zwillingsmädchen wie aus einem Mund und hacken sich links und rechts bei ihrer Mama unter. „Wir mussten diesen kleinen Ausreißer retten!“ Hubsi holt vorsichtig den Korb hinter seinem Rücken hervor. „Schau, das ist eines von Mathildas Küken von der Hühnerfarm!“, stellt er das kleine Küken vor. Mama Osterhase schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. „Na so was! Jetzt aber heraus aus dem Korb. Die Blumen und Gräser sehen schon ganz mitgenommen aus. Aber Hauptsache, du hattest es gemütlich!“, murmelt sie und streichelt vorsichtig über das flaumige Gefieder. „Marie, du ab in die heiße Badewanne, sonst liegst du Ostern krank im Bett! Und ihr beide, ihr sucht Papa Osterhase und bringt den kleinen Ausreißer zur Hühnerfarm zurück!“
Die Freude auf der Hühnerfarm ist natürlich riesengroß, als Papa Osterhase, Karo und Hubsi mit dem kleinen Ausreißer auftauchen. Während Mathilda einfach nur froh ist, ihr Küken wieder bei sich zu haben, will Henne Helene natürlich genau wissen, wie die Rettungsaktion verlaufen ist. Daraufhin wird Hubsi wie ein kleiner Held gefeiert. Und diesmal ist nicht nur Freundin Helene und Papa Osterhase, sondern auch Hasenschwester Karo stolz auf ihren kleinen Bruder!
Geschichte: Sabine Aigner, Illustration: Oskar Pointecker